Der Nikolaus
Jetzt ist wieder die Zeit
gekommen: Der Nikolaus, der Weihnachtsmann, Santa, Papa Noël oder wie
man die Figur auch immer bezeichnet klettert an Hausfassaden hoch,
bewegt sich vor Kaufhäusern, erstrahlt in Anzeigen und auf Plakaten und
versucht die Kassen klingeln zu lassen.
Die Legende um den Heiligen nutzen
Werbefachleute und Marketingstrategen. Sein Gewand wird gestaltet nach
den Anforderungen der Kunden als roter Mantel mit weissem Pelzbesatz
bis hin zum Pin-up.
Wissen wir wo der Nikolaus her
kommt, wie die Legende entstanden ist? Wenn wir ehrlich sind müssen wir
eingestehen, dass viele von uns es nicht wissen – ich habe es auch erst
in einem fortgeschrittenen Alter erfahren.
Einige Kilometer an der
Mittelmeerküste von Antalya aus nach Westen gelangt man in den Ort
Myra. Ausserhalb des Ortes findet der Besucher ein altes Theater, eine
Nekropolis in den Felshängen und – die Ruine einer christlichen Kirche,
die zurzeit restauriert wird. Wegweiser weisen die Richtung zu „Baba
Noel“.
Aus Myrna an der Lykischen
Mittelmeerküste stammt der Mann – sein Geburtsort war Patara, das nicht
weit entfernt von Myrna liegt -, der heute für Geschenke und Umsatz
sorgen soll.
Es ranken sich viele Geschichten
um sein Wirken und sein Leben. Einiges davon konnte historisch belegt
werden, anderes ist Legende. Eine Tatsache taucht jedoch immer wieder
auf: Sankt Nikolaus hilft den Armen, den Seeleuten, ja selbst den
Dieben.
Eine Geschichte um die Figur gefällt mir sehr gut. Ich will sie hier wiedergeben:
„Einige Zeit bevor Nikolaus
Bischof wurde, wohnte in seiner Nachbarschaft in Myra ein Witwer mit
drei Töchtern. Die Mädchen waren hübsch und alle drei hatten ein
freundliches Wesen, aber, weil sie arm waren und nicht die gringste
Mitgift hatten, mochte keiner der jungen Männer von Myra sie heiraten.
Ihre Familie war ehemals recht
wohlhabend und angesehen gewesen, aber dann hatte eine Serie von
Unglücksfällen sie getroffen. Die Mutter starb, Krankheit,
geschäftliche Verluste und Zerstörungen durch Erdbeben hatten sie um
ihren fast ganzen Besitz gebracht. Bei gesellschaftlichen Anlässen
konnten sie nicht mehr mithalten, so behandelte man sie als
Aussenseiter. Die Mädchen wurden von ihren ehemaligen Bekannten
geschnitten. Aber auch von den jungen Arbeitern aus Andriake, dem Hafen
von Myra, traute sich keiner, eines der Mädchen zu heiraten, obwohl
einige sie mochten. Sie fühlten sich den Mädchen unterlegen, weil sie
andere Umgangsformen hatten.
So war der Vater in seiner
verzweifelten Sorge auf die Idee verfallen, die Mädchen in ein Bordell
zu schicken, damit sie auf diese Weise für sich und ihre Angehörigen
den Lebensunterhalt verdienen könnten.
Währenddessen erfuhr Nikolaus von
der Notlage in seiner Nachbarschaft. Er wollte helfen und er verfügte
auch über die notwendigen Mittel dazu. Aber, um die Unglücklichen nicht
zu beschämen und sich nicht gross aufzuspielen, wollte er es heimlich
uns anonym tun. So nahm er einen Beutel mit Goldstücken, warf ihn bei
Nacht durch das geöffnete Fenster in das Haus und verschwand ungesehen.
Am Morgen fand der Vater das Geld, das ihm wie ein Geschenk des Himmels
kam. Er dankte Gott, schämte sich wegen seines schäbigen Planes und
begann, für die älteste Tochter die Aussteuer zu beschaffen. Es fand
sich bald ein Bräutigam ein und das Geld reichte auch noch zu einer
fröhlichen Hochzeit. Als Nikolaus sah, dass seine Hilfe gut angekommen
war, und die Familie das Geld wohl genutzt hatte, taten ihm die beiden
anderen Mädchen leid. Er wiederholte sein heimliches Geschenk und nach
einer Zeit war auch die zweite Tochter verheiratet. Der Vater hätte
gern den unbekannten Retter seiner Mädchen kennengelernt, um ihm zu
danken. Im Stillen hoffte er nach allem, was geschehen war, der
heimliche Helfer werde sich auch seiner dritten Tochter erbarmen. So
schlief er von nun an Nacht für Nacht völlig angezogen unter dem
Fenster, um sofort aufspringen und den nächtlichen Wohltäter verfolgen
zu können.
Nikolaus war entschlossen, auch
dem dritten Mädchen unerkannt zu helfen und warf noch einmal bei Nacht
einen Beutel durch das Fenster. Von dem Geräusch wachte der Vater
sogleich auf und eilte dem Flüchtenden nach. Er holte ihn rasch ein und
erkannte Nikolaus, seinen Nachbarn. Überrascht und dankbar wollte er
ihn in sein Haus einladen. Aber Nikolaus wehrte allen Dank ab und liess
den Vater versprechen, nichts von der Sache zu erzählen. Ohne zu ahnen,
dass seine Worte sehr bald in Erfüllung gehen würden, erwiderte dieser:
„Ein Mann wie Du verdiente, unser Bischof zu werden!“ Später erzählten
die drei glücklichen Frauen die Geschichte dann doch, und sie wurde zum
Anlass der alljährlichen heimlichen Geschenke am Nikolausabend.“
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