„Liebe Staats- und
Regierungschefs,
liebe Politiker in Uniform,
liebe hochrangig besoldete Mitarbeiter,
Ich bin Ende 30 und
Polizeibeamter. Ich versehe meinen Dienst derzeit auf einem Stadtrevier
im Streifendienst, vorher habe ich einige Zeit in der
Bereitschaftspolizei meines Bundeslandes den Dienst versehen.
Mittlerweile bin ich seit über 15 Jahren bei der Polizei.
Ich habe durchaus
gelernt, auch mal gegen meine Überzeugung zu
arbeiten. Wenn ich zum Beispiel die Ablagerung von Atommüll
durchsetze oder verfassungsfeindlichen Organisationen zu ihrem Recht
auf Versammlung verhelfe.
Ich habe Gewalt aus allen
(un)politischen Richtungen erlebt, wurde bei Einsätzen verletzt und
habe fast das ganze Programm bekommen, was man in diesem Beruf erleben
kann. Ich weiß also, dass es nicht immer nur angenehme Aufgaben sind,
die meine Kollegen und ich bewältigen.
Der von Ihnen geplante G20
setzt all diesen Dingen jedoch die Krone auf. Allein die Kosten, die
vermutlich erst nach dem Gipfel abzusehen sein werden, sind eine
einzige Frechheit.
Soll allein die GeSa
(Gefangenensammelstelle) tatsächlich über vier Millionen Euro kosten?
Ihr Ernst? Ich lade Sie gern ein, wenn Sie noch einen Programmpunkt
zwischen teurem Essen und Konzertbesuch frei haben, mal eine Schicht im
Streifendienst zu begleiten. Schauen Sie sich gern Familien am Rande
der Gesellschaft an, die wir in polizeilichen Einsätzen oft erleben.
Die Menschen, die ohne
Obdach auf der Straße (er)frieren, oder die, die sich beim Discounter
um die Ecke eine Packung Toastbrot und Käse klauen, um den Kindern
Brote für die Schule zu machen. Ist es tatsächlich ihr Ernst, solche
Schicksale tagtäglich zu dulden, um an zwei Tagen Milliarden von Euro
für Ihr belangloses Stelldichein zu verschwenden, die in unseren
sozialen Systemen besser angelegt wären?
In dem Bereich, in dem ich
arbeite, gibt es mittlerweile eine Obergrenze dafür, wie viele
Streifenwagen nachts im Einsatz sein dürfen. Wer die davor
vorgenommenen Änderungen im Bereich der Sonderzahlungen (Nachtdienste,
DzuZ) mal beleuchtet, wird schnell feststellen, dass dort Kostengründe
dahinter stecken. Und nun werden wieder Millionen von Euro in Sachen
Sicherheit in nur ein paar Tagen, für ein Event von ein paar Stunden
verheizt?
Wie gut könnte man das Geld
in den Pflegeeinrichtungen oder in der Flüchtlingsarbeit gebrauchen?
Ich will jetzt nicht die ganz große Keule schwingen, aber bedenken sie
bei Ihren teuren Gängemenüs, dass täglich durchschnittlich 40.000
Kinder in Entwicklungsländern verhungern.
Machen Sie sich mit vollem
Bauch bewusst, dass es Ihre Aufgabe wäre, diesen Umstand zu ändern!
Eine komplette Stadt wird lahmgelegt, damit Sie, liebe Staatschefs,
Ihre Partner und Freunde, drei schöne Tage in der Hansestadt Hamburg
verbringen. In meiner Ausbildung habe ich mal etwas über
„Erforderlichkeit“ und „Verhältnismäßigkeit“ gelernt, nach
deren Vorhandensein polizeiliche Maßnahmen geprüft werden sollen.
Verraten Sie mir, welchen
Durchbruch erwarten Sie auf Ihrer kleinen Klassenfahrt, dass man
tausende Bürger in ihren Grundrechten einschränkt, Gewerbetreibenden
finanzielle Einbußen zumutet und hunderte Menschen zeitweise in ihren
Wohnungen einsperrt?
Wie kommen sie darauf, die
Grundrechtseingriffe und Maßnahmen, die sie den Bürgern zumuten und
durchsetzen lassen, seien irgendwie verhältnismäßig, erforderlich oder
sinnvoll? Wir wissen doch alle, dass Ihr milliardenschwerer
Ausflug keinen Konflikt der Welt entschärfen, keine Hungerkrise lösen
und kein Heilmittel für eine tödliche Krankheit liefern wird.
Nach diesem katastrophalen
G7, auf dem nicht ein Problem wirklich angegangen wurde, von dem
lediglich Nachrichten über verschärfte Töne und zu fest geschüttelte
Hände geblieben sind. Was denken Sie, werden Sie auf dem G20 alles
erreichen? Ich bin gespannt.
Was hier an Personal auf
die Straße gebracht wird, ist sehr beachtlich. Meine Dienststelle ist
personell derart ausgelutscht, dass man sich auf genommene freie Tage
leider kein Stück mehr verlassen kann. Fällt nämlich ein Kollege wegen
Krankheit oder Verletzung aus, muss eigentlich fast immer jemand sein
Dienstfrei streichen. Daher verfahren wir im Kollegenkreis nach dem
Motto „bei Frei nicht erreichbar sein, möglichst spät krankmelden,
damit niemand nachalarmiert werden kann“.
Aus dieser ohnehin schon
nicht gesunden Situation werden jetzt noch über Wochen weitere Kollegen
abgezogen, die verbleibenden Kollegen werden vermutlich
in 12-Stunden-Schichten arbeiten (ist zu diesem Zeitpunkt nicht
sicher) um den Betrieb auf den Revieren aufrecht zu erhalten.
Während Sie, liebe
Staatschefs, sich also schöne Tage mit der Familie machen, werden
anderswo Familien und Ehen unzumutbar belastet. Und das nur, damit Ihr
Gipfel durchgeführt werden kann. Mir ist durchaus klar, dass es bei uns
auch „mal länger geht“. Bei Unfällen, Gewaltdelikten oder Tätern
am Werk kurz vor Feierabend meckert niemand. Und auch bei hoffentlich
nie eintretenden Großlagen oder Katastrophen verrichten wir gern
unseren Dienst, dafür bin zumindest ich Polizist geworden. Einfach mal
da sein, wenn andere flüchten, in der Situation helfen können.
Ich bin nicht zur
Polizei gegangen, um dafür zu sorgen, dass Menschen in
überteuerten Anzügen noch teurer essen und Konzerte besuchen können, um
das Ganze noch mit wichtigen politischen Anliegen zu rechtfertigen. Ihr
Gelage erinnert mich bereits jetzt an Festlichkeiten in
mittelalterlichen Burgen, während der gemeine Pöbel vor der
erleuchteten Burg stehen muss.
Ich finde es eine bodenlose
Frechheit, wie ignorant dieses Treffen geplant und gegen den Willen
hunderttausender Menschen durchgesetzt wird. Ich kann nur hoffen, dass
sich so etwas so bald nicht wiederholen wird.
Mir und den anderen
eingesetzten Kollegen wünsche ich eine einigermaßen entspannte Zeit,
dass alle gesund bleiben und dass die gesammelten Überstunden in
schönen freien Tagen wieder abgebummelt werden können.
Ich wünsche aber auch den
Menschen, die zum Protest nach Hamburg kommen, ein gutes Gelingen. Ich
hoffe, dass nicht Gewalt und Krawall die Nachrichten bestimmen, sondern
dass die mit Sicherheit vielfältigen friedlichen Proteste wahrgenommen
werden.
Ich persönlich halte
diese in Anbetracht von so viel Ignoranz für sehr nötig!
Hören Sie, liebe
Staatschefs, endlich auf, sich wie bockige Kinder auf dem Schulhof zu
benehmen.
Es sind nicht Ihre Leben,
die Sie hier zu Grunde richten!“
Quelle:
https://brd-schwindel.org